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Linkliste: Alle Reden der Freiheit statt Angst auf einen Blick

Insgesamt zehn Reden wurden bei der Freiheit statt Angst auf der Hauptbühne gehalten. Wer sie noch einmal nachlesen möchte, findet sie hier noch einmal alle auf einen Blick. Es gilt das gesprochene Wort.

Außerdem sind (fast) alle Reden auch in diesem zweistündigen Video auf YouTube dokumentiert, das auch einen guten Eindruck der Atmosphäre auf der Demo gibt.

Auftaktkundgebung

Abschlusskundgebung

Wir müssen Widerstand leisten!

Rede Jacob Appelbaum (Tor-Projekt)

Jacob Appelbaum

Jacob Appelbaum

Dankeschön, dass ich hier sein kann! Letztes Jahr habe ich in Berlin gelebt und als Journalist gearbeitet. Danke für eure Solidarität! Danke für eure Arbeit und euren Schutz! Ich fühle mich so gut mit eurer Hilfe, ich liebe euch und eure Unterstützung!

Das große Problem ist eine Menschenrechtsfrage: Haben wir Menschenrechte? Das große Problem ist Massenspionage. Aber das ist nicht das einzige Problem. Die Wurzel des Problems ist Ungerechtigkeit. Alle Menschen haben das Recht auf Schutz und alle Menschen müssen eine Stimme haben. Wie sollen wir das erreichen? Wir müssen zusammenarbeiten. Wir müssen freie Software schreiben. Wir müssen sie finanzieren und benutzen. Wir brauchen vielfältige Taktiken. Wir brauchen vielseitige Strategien. Wir müssen politisch arbeiten.

Alle Staaten müssen die grundlegenden Menschenrechte respektieren. Ich wiederhole: Alle Staaten müssen die fundamentalen Menschenrechte umsetzen. Ein jeder Einzelne von uns: Wir brauchen dich! Wir brauchen eure Massenbewegung! Wir müssen in Massen aufstehen und noch mehr. Es muss nicht nur gegen die Massenspionage, es muss für die fundamentalen Menschenrechte protestiert werden. Für alle die Menschen, die sonst keine Stimme haben. Für Post- und Briefgeheimnis, für Verschlüsselung und Anonymität. Wir müssen für die Menschenrechte aufstehen!

Und noch etwas: Sind Sie bei der NSA, bei der CIA, beim BND, beim Verfassungsschutz? We need more documents! Sie sind nicht bei NSA, BND, CIA? Geht dort hin! Arbeitet dort. Denn dort sind die Dokumente. Ich meine das ernst. Wir können das alleine machen oder zusammen. Aber wir müssen Widerstand leisten! Wir müssen die Welt ändern! Wir müssen alternative Datenübertragung und -benutzung ermöglichen.

Pressemitteilung: Beim Thema Überwachung nicht aufgeben

[English translation below]

Abschlusskundgebung der Großdemonstration „Freiheit Statt Angst“ mit
Redebeiträgen von Reportern ohne Grenzen, Amnesty international und Sexarbeiterinnen

Aktivisten bei der #FsA14

Aktivisten bei der #FsA14

Mit Musik und Reden endete soeben die Demonstration „Freiheit Statt
Angst“. Das Veranstaltungsbündnis freut sich über die gelungene
Mobilisierung – mehr als 6.500 Menschen waren in Berlin auf die Straße
gegangen und hatten gemeinsam unter dem Motto „Aufstehen statt
Aussitzen“ ein Zeichen für Grundrechte und gegen Massenüberwachung
gesetzt.

Bei der Abschlusskundgebung am Brandenburger Tor wurden konkrete Aspekte von Überwachungsbedrohungen aufgegriffen. So erklärte Wieland Dietrich, Vorsitzender der Freien Ärzteschaft e.V., zur elektronischen Gesundheitskarte: „Es wird offenbar, dass bei der elektronischen Gesundheitskarte der Druck der Gesundheitsindustrie auf die Politik enorm ist! Es ist ein Skandal, dass nach deutschem Recht überhaupt Daten, die dem Sozialdatenschutz unterliegen wie Gesundheitsdaten, von Rechenzentren verkauft werden dürfen!“ Auch Google mache mit diesen Daten Geschäfte. „Die elektronische Gesundheitskarte dient der Kontrolle der Bürger“, kritisierte Dietrich.

Astrid Goltz von der Humanistischen Union nannte Fakten zu den Plänen
der Bundesregierung für die Zukunft der Geheimdienste: „Im nächsten
Jahr will die Bundesregierung den Etat des BND um 25 Prozent auf über
600 Mio Euro erhöhen.“ Goltz kritisierte diesen Kurs scharf und
forderte stattdessen die Abschaffung der Geheimdienste: „Merkel und de
Maiziere machen keinen Finger krumm, um uns vor der massiven
Überwachung unserer Privatssphäre zu schützen. Nein, sie päppeln ihre
Geheimdienste mit Millionen an Steuergeldern und wir Bürger/innen
bezahlen für unsere eigene Überwachung. Das ist absurd!“

„Die Enthüllungen der letzten Monate haben der ganzen Welt eine
dramatische Erosion des Rechts auf Privatsphäre gezeigt“, warnte
anschließend Sebastian Schweda von der Menschenrechtsorganisation
Amnesty International. Er rief die Menschen zur Solidarität auf und
stellte klar: „Das Spiel, das hier gespielt wird, heißt nicht USA
versus Deutschland oder die ‚Five Eyes‘ gegen den Rest der Welt. Das
Spiel, das hier gespielt wird, heißt Regierung versus Bürger! Lassen
Sie uns beim Thema Überwachung nicht vorzeitig aufgeben! Die Zeit ist
mit uns!“

Um die Bürgerrechte von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern ging es in
der Rede von Emy Fem vom Berufsverband erotische und sexuelle
Dienstleistungen. Die geplante Zwangsregistrierung von in
entsprechenden Berufen tätigen Menschen sei hochproblematisch:
„Sexarbeiter_innen werden entmündigt. Die Große Koalition geht davon
aus, dass Sexarbeiter_innen nicht eigenverantwortlich handeln können,
und zwar weil sie Sexarbeiter_innen sind.“ Eine Zwangsregistrierung
bringe Gefahren für die Betroffenen, etwa durch Stalker oder
gewalttätige Kunden.

Matthias Spielkamp von Reporter ohne Grenzen richtete seine Worte
besonders an Menschen, die Informationen haben, die die ganze
Gesellschaft betreffen: „Wer bei den Geheimdiensten, in anderen
Behörden oder in Unternehmen arbeitet und sieht, dass dort gegen
Gesetze verstoßen wird: Lasst es uns alle wissen!“

Nach den Redebeiträgen spielten verschiedene Bands zum Demo-Ausklang.
An zahlreichen Ständen am Rande der Demo informierten viele beteiligte
Organisationen über ihre spezifischen Themen. In der Auftaktkundgebung
hatten einige von ihnen bereits die Stärkung der Menschenrechte,
Transparenz, Whistleblowerschutz und eine Abschaffung der
Geheimdienste gefordert: „Massenüberwachung – das ist Gift für eine
parlamentarische Demokratie und Honig für das Totalitäre“ (Christoph
Bautz, Campact); „Wo bleiben die deutschen Whistleblower?“ (Annegret
Falter, Whistleblower-Netzwerk); „Leak more documents!“ (Jacob
Appelbaum, Journalist, torproject.org). Anschließend war der
Demonstrationszug durch das Berliner Regierungsviertel gezogen.

Insgesamt haben sich 81 Organisationen am heutigen
Veranstaltungsbündnis beteiligt und zu der Großdemonstration
aufgerufen. Vertreten waren unter anderem der Arbeitskreis gegen
Vorratsdatenspeicherung, Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und
Zensur, Attac Deutschland, Berufsverband Deutscher Psychologinnen und
Psychologen, Campact – Demokratie in Aktion, Berufsverband erotische
und sexuelle Dienstleistungen, Katholische junge Gemeinde, Deutscher
Fachjournalisten-Verband, Deutsche Journalistinnen- und Journalisten
Union (dju) in ver.di, Giordano Bruno Stiftung, Amnesty International,
Digitalcourage, der Verbraucherzentrale Bundesverband, die Neue
Richtervereinigung, die Freie Ärzteschaft, Reporter ohne Grenzen,
Campact und der Chaos Computer Club. Die Gesamtliste der beteiligten
Organisationen ist hier abrufbar:
https://freiheitstattangst.de/das-buendnis-2014/

Mehr Informationen, Ablauf und Pressekontakte unter: http://freiheitstattangst.de

Interessierte Journalistinnen und Journalisten sind herzlich
eingeladen, sich vor Ort oder per Telefon zu informieren. Das
Pressezelt vor Ort ist noch bis ca. 20:00 Uhr persönlich besetzt; es
befindet sich vor dem Brandenburger Tor hinter der Bühne. Ansonsten
stehen wir telefonisch zur Verfügung:

Tel. Pressezelt:
0175 984 9933

presse@vorratsdatenspeicherung.de
presse@digitalcourage.de

Twitter: @akvorrat, Hashtag: #fsa14

Die Redetexte sind dokumentiert auf www.freiheitstattangst.de

Honorarfreie Bilder der Demonstration gibt es unter:
https://www.flickr.com/photos/digitalcourage/sets/72157646512129778

Hier eintragen in Presseverteiler zur Demo: http://akvorrat.de/s/demopresse

Demostrecke: http://freiheitstattangst.de/route-ablauf/
Demoaufruf: http://freiheitstattangst.de/aufruf/

Redeliste:
Auftaktkundgebung
– Peter Schaar (Bundesdatenschutzbeauftragter a.D.)
– Annegret Falter (Whistleblower-Netzwerk)
– Rolf Gössner (Internationale Liga für Menschenrechte)
– Jacob Appelbaum (Tor project, IT-Sicherheitsexperte aus USA)
– Christoph Bautz (Campact)

Abschlusskundgebung
– Wieland Dietrich (Freie Ärzteschaft)
– Astrid Goltz (Humanistische Union)
– Sebastian Schweda (Amnesty International)
– Emy Fem (Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen)
– Matthias Spielkamp (Reporter ohne Grenzen)

Moderation: padeluun (Digitalcourage)

[English translation]

Berlin, 30 Aug 2014, 19:00 GMT+0200
Press Release #4
„Freiheit statt Angst“ (Freedom Not Fear)

+ Call to maintain pressure against surveillance
+ Final manifestation of „Freiheit statt Angst“ rally with speeches by Reporters Without Borders, Amnesty International, sex workers and others

The „Freiheit statt Angst“ (Freedom Not Fear) rally recently ended with music and speeches. The organising alliance is happy about their successful mobilisation – more than 6,500 people took to the streets in Berlin and protested for civil liberties and against surveillance, uniting under the slogan „Freedom not Fear – Stand up, Don’t Wait Out!“

During the final manifestation at the Brandenburg Gate, speakers referred to several threats caused by surveillance. Wieland Dietrich, leader of Freie Ärzteschaft, an alliance of medical practitioners, said about Germany’s electronic health insurance card: „It is obvious that the pressure exerted on politicians by the health industry is enormous! It is a scandal that it is even legal in Germany that social data protected by data protection law – like health data – can legally be sold by data centres!“ Google, too, was making deals with this data, said Dietrich and criticised: „The electronic health insurance card is made to control citizens!“

Astrid Goltz of the German Civil Liberties Union (Humanistische Union) highlighted some facts about the German federal government’s plans for the future of the state’s intelligence agencies: „Next year, the federal government wants to increase the budget of (foreign intelligence agency) BND by 25 percent to a total of more than 600 million Euro.“ Goltz harshly criticised these intentions and demanded that intelligence agencies should be dismantled instead: „(Chancellor) Merkel and (Minister of the Interior) de Maizière won’t move a finger to protect us from massive surveillance of our private sphere. No, they pamper their intelligence agencies with millions in tax payers‘ money and we as citizens pay for our own surveillance. That is absurd!“

„The disclosures of the last months showed the whole world that the right to privacy is being dramatically eroded,“ Sebastian Schweda of human rights organisation Amnesty International warned. He encouraged people to show solidarity and said: „The game that is being played here is not USA versus Germany or the ‚Five Eyes‘ against the rest of the world. The game is government versus the people! Let us not give up prematurely when it comes to surveillance! Time is on our side!“

The issue of civil rights of sex workers was highlighted in a speech from the Professional Association Erotic and Sexual Services (Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen). Plans to require every person working in these professions to register with the authorities was described as highly problematic: „Sex workers are stripped of their self-determination and maturity. The governing coalition assumes that sex workers are unable to act for themselves – because they are sex workers.“ An obligation to register would pose threats to those affected, such as stalking or violent customers.

Matthias Spielkamp of Reporters Without Borders (Reporter ohne Grenzen) addressed his words specifically to people who might hold information concerning the whole of society. „If you work in secret services, other government agencies or businesses and observe that laws are being violated: let us all know!“

After the speeches, several bands played to finish the rally. Many supporting organisations had been presented their individual topics and campaigns in stalls on the site of the rally. Some organisations had already issued calls to strengthen human rights, transparency, whistleblowing protections and dismantling secret services during the rally’s kick-off manifestation: „Mass surveillance – that is poison to a parliamentary democracy and honey for the totalitarian“ (Christoph Bautz, Campact); „Where are the German whistleblowers?“ (Annegret Falter, Whistleblower Network); „Leak more documents“ (Jacob Appelbaum, journalist, torproject.org). The rally had then marched through Berlin’s government district.

Altogether, 81 NGOs had joined the alliance that organised and supported today’s mass rally. Among them were the German Working Group against Data Retention (Arbeitskreis gegen Vorratsdatenspeicherung, AK Vorrat), Working Group against Internet Blocking and Censorship (Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur), attac Germany, Professional Association of German Psychologists (Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen), German campaigning network Campact, the Professional Association Erotic and Sexual Services (Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen), Young Catholic Young Parish (Katholische Junge Gemeinde), German Association of Specialised Journalists (Deutscher Fachjournalisten-Verband), German Union of Journalists (Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union, dju), Giordano Bruno Foundation (Giordano Bruno Stiftung), Amnesty International, Digitalcourage, the Federation of German Consumer Organisations (Verbraucherzentrale Bundesverband, vzbv), judges association Neue Richtervereinigung, medical practitioners association Freie Ärzteschaft, Reporters Without Borders (Reporter ohne Grenzen), and the Chaos Computer Club. The full list of participating organisations can be found here: https://freiheitstattangst.de/das-buendnis-2014/

Bürgerrechtler sind nicht hilflos und ohnmächtig

Rede Matthias Spielkamp (Reporter ohne Grenzen)

Liebe Freunde und Mitstreiter,
es wäre schön, wenn diese Demonstration endlich überflüssig würde. Stattdessen ist sie notwendiger denn je. Nie zuvor wussten wir so gut wie jetzt, wie unsere Regierung unsere Bürgerrechte verletzt, uns dann darüber belügt und uns schließlich auch noch ins Gesicht lacht. Wer den Schaden hat, braucht für de Spott nicht zu sorgen, heißt es, aber wer hätte gedacht, dass die Regierungskoalition in einem demokratischen Land die Frechheit besitzt, ihre Wähler nach diesem Sinnspruch zu behandeln.

Aber wir haben sie uns ja ausgesucht, und daher sollten wir uns nicht beklagen. Sondern es ändern. Denn das ist es, worauf es mir und worauf es Reporter ohne Grenzen heute ankommt: zu sagen, dass wir etwas ändern können.

Viele von uns waren selten so frustriert wie im Moment. Wie sollen wir uns auch vorkommen, wenn in einem Untersuchungsausschuss des Bundestags drei Verfassungsexperten sagen, was die Geheimdienste unter Anleitung und Duldung der Regierung tun, ist verfassungswidrig, und das Ergebnis ist, dass die Regierung mit den Schultern zuckt und weiter macht wie bisher? Was sollen wir denken? Natürlich kommen wir uns hilflos vor. Wir kommen uns ohnmächtig vor. Aber je hilfloser und ohnmächtiger wir uns fühlen, umso besser für diejenigen, die uns hilflos und ohnmächtig sehen wollen.

Aber wir sind nicht hilflos und ohnmächtig. Jede und jeder von und hat eine Stimme. Nicht nur bei der Bundestagswahl. Auch bei der Landtagswahl, auch bei der Wahl der Kommunalparlamente. Jede dieser Stimmen kann ein Zeichen sein. Dafür, dass wir genug davon haben, wie uns die Regierungsparteien verschaukeln. Ein Zeichen dafür, dass wir wollen, dass Edward Snowden in Deutschland aussagen darf und nicht fürchten muss, an die USA ausgeliefert zu werden. Ein Zeichen dafür, dass wir keine Geheimdienste wollen, die uns Bürgerinnen und Bürger gegen Recht und Gesetz überwachen und ausspionieren. Ein Zeichen dafür, dass wir wollen, dass die Geheimdienste wirklich demokratisch kontrolliert werden. Oder eben ein Zeichen dafür, dass wir überhaupt keine Geheimdienste wollen, wenn unsere Regierung und unsere gewählten Vertreter in den Parlamenten nicht in der Lage sind, dafür zu sorgen, dass sie sich an Recht und Gesetz halten. Wir sind nicht hilflos und ohnmächtig. Wir können uns wehren, indem wir unsere E-Mails verschlüsseln. Indem wir unsere Internetverbindungen verschlüsseln. Indem wir unsere Daten auf unseren USB-Sticks und Festplatten verschlüsseln. Indem wir die Kosten für die Dienste erhöhen, uns auszuspionieren.

Viele werden sagen: Das ist was für Nerds, das macht kein normaler Nutzer, und wir verhalten uns damit, wie es Ex-Innenminister Friedrich gern hätte: indem wir uns auf den Selbstschutz zurück ziehen, weil wir die Hoffnung in die Politik verloren haben. Aber wir können das eine tun, ohne das andere zu lassen. Lasst und jede Möglichkeit nutzen, die wir haben. Ich kann mich an keinen Zeitpunkt erinnern, zu dem ich mehr Initiativen und Unternehmen gesehen hätte, die sich darum kümmern, bessere Technologien zu schaffen, um unsere Privatsphäre zu schützen.

Wir sollten die Initiativen und die Unternehmen unterstützen und die Technologien nutzen, um damit ein Zeichen zu setzen. Ein Zeichen dafür, dass wir ihre Hilfe dringend brauchen, und dass wir sie wertschätzen.

Wir sind nicht hilflos und ohnmächtig. Denn als Bürgerinnen und Bürger in einem marktwirtschaftlichen System haben wir nicht nur eine Stimme in der Politik. Wir haben auch mehr als eine Stimme im Portemonnaie. Und wenn wir von Unternehmen fordern, dass sie „privacy by design“ beherzigen, dass sie unsere Daten so gut sie können vor dem Zugriff des Staats schützen, und unser Geld woanders hintragen, wenn die Unternehmen es nicht tun – dann haben wir auch dadurch eine Stimme.

Und zuletzt: Wir alle sind nicht hilflos und ohnmächtig. Aber einige von uns können mehr Einfluss ausüben als andere, allen voran Journalisten, Software- und Technik-Entwickler und die Mitarbeiter der Behörden und Geheimdienste. Wer in den Medien arbeitet und entscheidet, dass das Thema Überwachung keines ist, dass sie oder ihn selbst oder die Leserinnen und Leser betrifft, verschenkt seinen Einfluss und macht sich selber hilflos und ohnmächtig. Wer als Entwickler denkt, dass der Schutz vor Überwachung kein Thema ist, sollte vielleicht noch einmal darüber nachdenken, wo es in den eigenen Produkten doch eine Möglichkeit gibt, besser für diesen Schutz zu sorgen. Ganz zu schweigen von den Entwicklern, die an Überwachungs- und Spionagetechniken arbeiten. Sie sollten sicherlich mehr als je zuvor darüber nachdenken, ob sie das richtige tun.

Und schließlich: Wir brauchen viele Edward Snowdens, wir brauchen viele Chelsea Mannings! Wer bei den Geheimdiensten arbeitet oder in anderen Behörden und sieht, dass dort gegen Gesetze verstoßen wird: lasst es uns alle wissen! Wer in Unternehmen arbeitet und sieht, dass dort gegen Gesetze verstoßen wird oder gegen den Willen der eigenen Kunden: lasst es uns wissen.

Wir sollten Friedrich und seine Kollegen beim Wort nehmen, aber anders, als sie es sich wünschen: Wenn unsere Regierung uns ausspioniert, uns darüber belügt und keinen Finger dafür rührt, das zu ändern, dann müssen wir eben zur Selbsthilfe greifen. Freiheit statt Angst!

Zwangsregistrierung verletzt Grundrechte von Sexarbeiter_innen

Rede Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen

Stellen Sie sich folgendes Szenario vor:
Ihre Schwester arbeitet als Journalistin und verliert darum das Sorgerecht für ihre Kinder.

Oder:
Ihr Onkel empfängt gelegentlich Gäste, denen er seine Kurzgeschichten vorliest, und verliert deswegen seine Wohnung.

Oder:
Die Klassenlehrerin Ihrer Kinder spielt in ihrer Freizeit als Bassistin in einer Rockband und wird darum aus dem Öffentlichen Schuldienst entlassen.

Sie können sich das nicht vorstellen?

Nein, es gibt keine Zentralverzeichnisse, in denen Menschen auf Grund ihrer Tätigkeit als Journalist_innen, Schriftsteller oder Musiker_innen bei den Kommunen registriert sind. Journalist_innen, Schriftsteller_innen und Musiker werden auch nicht auf Grund ihrer Tätigkeit stigmatisiert.

Bei Sexarbeiter_innen ist es jedoch anders.

Die Einführung des Prostitutionsgesetzes im Jahr 2002 war ein großer Fortschritt. Die Sexarbeit war von dem Moment an nicht mehr sittenwidrig. Sexarbeiter_innen konnten erstmals ihre Honorare einklagen. Und sie bekamen Zugang zu den Sozialversicherungen.

Bei der Stigmatisierung von Sexarbeit und Sexarbeiter_innen ist dagegen alles beim Alten. Sexworker führen in den allermeisten Fällen ein Doppelleben, damit sie selbst oder ihre Familie nicht sozial benachteiligt werden.

Das wissen auch die Behörden. Zum Beispiel: Bei den Arbeitsagenturen empfehlen Berufsberater ehemaligen Sexarbeiter_innen, die in einem anderen Beruf arbeiten wollen, in ihrem Lebenslauf zu lügen, anstatt wahrheitsgemäß ihre Sexarbeit anzugeben.

Und nun plant die Große Koalition die Zwangsregistrierung für Sexarbeiter_innen. Sexarbeiter_innen sollen zwangsregistriert werden, weil sie Sexarbeiter_innen sind.

Die Große Koalition möchte wissen, wo die Sexarbeiter_innen sich aufhalten. Das will die Große Koalition wissen, um Sexarbeiter_innen beim Ausstieg aus der Sexarbeit zu helfen – ob sie aussteigen wollen oder nicht.

Die Große Koalition behauptet, mit der Zwangsregistrierung legale von illegaler Prostitution unterscheiden zu können. Auf diese Weise lasse sich so genannte „Zwangsprostitution“ aufdecken.

Die Wahrheit sieht jedoch anders aus:

Mit dem erklärten Ziel, Sexarbeiter_innen zu ihrem Schutz zu registrieren, werden Sexarbeiter_innen entmündigt. Die Große Koalition geht davon aus, dass Sexarbeiter_innen nicht eigenverantwortlich handeln können, und zwar weil sie Sexarbeiter_innen sind.

Die Vorratsdatenspeicherung in der Sexarbeit, die Registrierung, ob unter Zwang oder freiwillig, bietet keinerlei Schutz. Die Eintragung in eine Kartei bewahrt keine Person zu keinem Zeitpunkt davor, überfallen, ausgeraubt oder Opfer von Menschenhandel zu werden.

Darüber hinaus liefert die große Koalition damit Sexarbeiter_innen vorsätzlich vermeidbaren Gefahren aus. Wenn ein Klient von einer Sexarbeiter_in die Vorlage ihres Hurenausweises verlangen darf, werden Stalking und Nachstellung Tür und Tor geöffnet.

Das Wichtigste jedoch: Mit der Zwangsregistrierung schränkt die große Koalition die Grundrechte von Sexarbeiter_innen ein:

  • das Recht auf informationelle Selbstbestimmung,
  • und das Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit.

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt!

Und darum rufen wir euch auf: Solidarisiert euch mit uns! Erinnern wir die Politik daran, dass Sexarbeiter_innen Menschen sind wie andere auch! Solange die Grundrechte von Sexarbeiter_innen verletzt werden, wird jeder Rote Regenschirm die verantwortlichen Politiker daran erinnern – hier in Berlin am Bundestag, in Bremen, Bayern, Bielefeld und auf der ganzen Welt!

Überwachung: Nicht USA gegen Deutschland, sondern Regierung gegen Bürger

Rede Sebastian Schweda (Amnesty International)

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

die Enthüllungen der letzten Monate haben der ganzen Welt eine dramatische Erosion des Rechts auf Privatsphäre gezeigt. Edward Snowden hat uns die massenhafte Überwachung der weltweiten Kommunikation durch die Geheimdienste der USA und Großbritanniens vor Augen geführt.

Wir wissen heute, wie diese Dienste die ihnen verfügbaren Mittel dazu nutzen, Netzinfrastrukturen, Endgeräte und technische Standards zu manipulieren, um sich nahezu unbegrenzten Zugang zu den E­Mails, Mobilfunkdaten und Internetaktivitäten von Millionen Menschen zu verschaffen. Wir haben erfahren, dass Daten in bisher nicht gekanntem Umfang über lange Zeiträume gespeichert werden und jederzeit ausgewertet werden können. Und bis heute sind die Veröffentlichungen nicht abgeebbt.

Doch schon das, was wir wissen, ist in seinem Ausmaß und seiner Wahllosigkeit erschreckend: Es ist klargeworden, dass ein großer und ständig wachsender Teil der Menschheit – nämlich derjenige mit Zugang zu modernen Kommunikationsmitteln – heute unter Dauerbeobachtung steht. Ohne einen konkreten Anlass gegeben zu haben, kann jeder Mensch jederzeit zum Ziel heimlicher staatlicher Überwachung werden, und die gesammelten Daten bleiben vielleicht sein ganzes Leben über gespeichert und können ihm jederzeit zu beliebigen Zwecken vorgehalten werden.

Dies stellt eine massive Verletzung des Menschenrechts auf Privatsphäre dar. Die Enthüllungen haben uns gezeigt, dass dieses Recht in der digitalen Kommunikation heute weltweit nahezu völlig ausgehebelt ist. Ein schwerwiegenderer Eingriff in ein einzelnes Menschenrecht ist – noch dazu in dieser globalen Dimension – kaum vorstellbar. Nach dem, was wir heute wissen, gehen die größten Gefahren für die Menschenrechte im Netz zur Zeit von den „Five Eyes“­Staaten aus.

Wir dürfen darüber allerdings nicht vergessen, dass sich auch andere Staaten – u. a. Deutschland und nahezu alle EU-­Staaten von einigem politischem Gewicht – an diesem Überwachungsnetz lebhaft beteiligen. Sie profitieren nicht unerheblich von dem Ringtausch dieser Datenbestände. Wir müssen uns zugleich den Unterschied zwischen der klassischen Spionage gegen fremde Staaten und der jetzt aufgedeckten Massenüberwachung quasi der gesamten Bevölkerung klarmachen und uns mit der bitteren Wahrheit konfrontieren, die sich daraus ergibt: Das Spiel, das hier gespielt wird, heißt nicht USA versus Deutschland oder die „Five Eyes“ gegen den Rest der Welt. Das Spiel, das hier gespielt wird, heißt Regierung versus Bürger!

Was passiert mit all diesen Daten? Dass die Überwachung nur der Terrorabwehr dient, lässt sich mit einem Blick auf die fehlende Erfolgsbilanz in diesem Bereich schnell als Schutzbehauptung entlarven. Trotz der aufgedeckten Massenüberwachungsprogramme haben auch nach 2001 weiter Anschläge stattgefunden – wie zuletzt in Boston 2013. Ein Nachweis, dass diese Programme zur Verhinderung irgendeines Anschlags beigetragen haben, steht dagegen bis heute aus. Statt dessen wissen wir, dass die USA allein auf Basis von Telekommunikationsdaten, die unter anderem in Ramstein ausgewertet werden, Drohneneinsätze auch gegen Unschuldige fliegen und extralegale Tötungen in Ländern wie Pakistan, Somalia oder dem Jemen selbst an Minderjährigen durchführen.

Auch auf andere Menschenrechte, wie etwa die Meinungs­ und Informationsfreiheit, hat die Überwachung gravierende Auswirkungen: Zu den sogenannten „Chilling Effects“, der abschreckenden Wirkung, die das Wissen, überwacht zu werden, auf die Wahrnehmung der Meinungsfreiheit haben kann, gibt es überzeugende Studien auch aus der jüngsten Zeit. Der britische GCHQ gibt sich zudem nicht mit der Kommunikationsüberwachung zufrieden, sondern manipuliert darüber hinaus sogar aktiv und ganz gezielt Informationen und Meinungsäußerungen im Netz.

Mehr und mehr wird klar: Der Zweck dieser völlig wahllosen Überwachung ist nicht allein die Terrorabwehr. Es geht auch um die Möglichkeit der Kontrolle von Gesellschaften und ihre Steuerung.

Das muss ein Ende haben! Ohne Privatsphäre sind Rechtsstaat und Freiheit nicht denkbar!

Dort, wo in unsere Rechte von außen eingegriffen wird, hat die Regierung eine Schutzpflicht gegenüber den Menschen in ihrer Hoheitsgewalt. Sie muss mit den Mitteln, die sie hat, dafür sorgen, dass die massenhafte Verletzung des Rechts auf Privatsphäre abgewehrt wird.

Mit Blick auf Deutschland fordert Amnesty deshalb, dass die Bundesregierung dieser Schutzpflicht nun unverzüglich nachkommt. Sie muß selbst eine aktive Rolle bei der Aufarbeitung und der Erarbeitung von Wegen für einen besseren Schutz dieses Menschenrechts spielen. Und sie darf auch der Aufklärung der Vorwürfe durch den NSA­Untersuchungsausschuss keine Steine in den Weg legen. Es muss sichergestellt sein, dass der Hauptzeuge, Edward Snowden, angehört werden kann.

Der Untersuchungsausschuss selbst darf sich nicht auf die Überwachung durch ausländische Geheimdienste beschränken, sondern muss darüber hinaus auch untersuchen, welche Rolle deutsche Nachrichtendienste bei der globalen Überwachung spielen und in welchem Umfang sie mit den US­-amerikanischen und britischen Diensten kooperieren.

Es müssen jetzt endlich Konsequenzen gezogen werden. Die Enthüllungen von Edward Snowden dürfen nicht ausgesessen oder vergessen werden.

Man konnte in den letzten Monaten häufig die Resignation vieler Menschen hören. Die Frage: Warum passiert nichts? Und die selbstgegebene Antwort: Weil es ja doch niemanden interessiert.

Doch, es interessiert jemanden. Und jeden Tag interessiert es mehr. Weil das Desinteresse weiter Teile der Bevölkerung aus Desinformation gespeist wird. Diejenigen, die begreifen, was da abgeht, die begreifen, wie da hinter ihrem Rücken unser Staats­ und Gesellschaftsmodell umgebaut wird, die werden wütend.

Doch, es passiert etwas. Wir sind heute hier, zahlreiche NGOs – auch solche wie Amnesty, die bisher nicht dazu gearbeitet haben – haben das Thema nun auf ihrer Agenda ganz weit vorne. Und auch die Politik ist bisher – trotz aller Versuche von verschiedener Seite, das Thema auszusitzen oder die Aufklärung zu behindern – nicht zur Ruhe gekommen. Es hat einige kleine, zaghafte Schritte in die richtige Richtung gegeben.

Wir wollen, dass sich dieser Trend fortsetzt! Wir wollen, dass die Schritte größer, mutiger werden. Die gravierenden systemischen Probleme, die hinter diesen Enthüllungen stecken, die werden nicht von heute auf morgen zu lösen sein. Es wird ein langer Marsch werden, aber denjenigen, die glauben oder gar hoffen, dass wir unterwegs straucheln und aufgeben, denen möchte ich sagen: Wir haben festes Schuhwerk dabei!

Wir werden dieses Thema beharrlich weiterverfolgen. Amnesty hat Erfahrung mit Beharrlichkeit, und es sind gute Erfahrungen: Die Vereinbarung von wichtigen menschenrechtlichen Verträgen wie der Antifolterkonvention oder dem Waffenhandelsabkommen sind nur durch langes zähes Ringen zu Stande gekommen.

Lassen Sie uns auch hier, beim Thema Überwachung, nicht vorzeitig aufgeben! Die Zeit ist mit uns!

Natürlich wird das kein leichter Job. Und natürlich ist es nicht nur die Aufgabe von Amnesty, sondern von uns allen! Wir müssen klarmachen, dass dies ein Problem aller Leute ist, nicht nur von ein paar Netzaffinen oder Bürgerrechtlern. Wir brauchen mehr „Normalos“, die begreifen, was da mit ihren Rechten passiert. Menschenrechtsbildung ist wichtig! Das ist unsere gemeinsame Aufgabe! Jeder kann Botschafter, jeder kann Multiplikator sein!

Zeigen wir gemeinsam der ausufernden Überwachung die rote Karte!

Ich möchte abschließend noch an eines erinnern: Die Tatsache, dass wir heute hier überhaupt gegen die unverhältnismäßige Überwachung demonstrieren können, haben wir nur dem entschlossenen Handeln eines mutigen Mannes zu verdanken, der uns über diese massiven Menschenrechtsverletzungen informiert hat! Amnesty wird in Kürze eine Petition veröffentlichen, die sich dafür einsetzen wird, die prekäre menschenrechrechtliche Lage von Edward Snowden zu verbessern!

Bitte helfen Sie mit, unterschreiben Sie, besuchen Sie unsere Website in den nächsten Tagen und nehmen Sie an der Online­-Petition teil!

Vergessen wir nicht die Menschen, die Verletzungen unserer Menschenrechte aufdecken und uns allen dabei helfen, diese Rechte zu verteidigen!

Geheimdienste sind ein Schandfleck der Demokratie

Rede Astrid Goltz (Humanistische Union)

Edward Snowden erklärte vor einem Jahr: „Mehr als Gefahren für Leib und Leben fürchte ich, dass die Aufdeckung des Überwachungsskandals tagespolitisch im Sande verläuft.“ Wenn man sich ansieht, was unsere Regierung seitdem getan hat, läuft es aber darauf hinaus: stillhalten und warten, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Das No-Spy-Abkommen mit den USA, das Merkel forderte: gescheitert. Diplomatische Gespräche mit den Freunden in den USA: ohne Ergebnis. Den Datenschutz auf EU-Ebene voran treiben: wo sind die Fortschritte? Dass nicht das gesamte Parlament schläft, merken wir daran, dass es einen NSA-Untersuchungsausschuss gibt. Hier müssen die Regierung und die Geheimdienste zumindest Rede und Antwort stehen, auch wenn mit neuen Erkenntnissen nicht zu rechnen ist. Die große Koalition aber scheint in einen Tiefschlaf gefallen. Lasst uns an diesem Samstag Nachmittag noch einmal in dieses tief schlafende Regierungsviertel rufen: Aufstehen statt Aussitzen!

Eine Antwort gibt es von Merkel und Co auf die Spähaffäre: Die Kanzlerin will mitspielen im globalen Wettrüsten der Geheimdienste. Im nächsten Jahr will sie den Etat des BND um 1⁄4 erhöhen auf über 600 Millionen €. Damit dieser Datenflüsse der sozialen Netzwerke in Echtzeit abgreifen kann nach dem Vorbild von NSA und dem britischen Geheimdienste GCHQ. Beim Inlandsgeheimdienst sollen laut IT-Sicherheitsgesetz 55 neue Stellen geschaffen werden. Aufrüsten statt Abschalten der Geheimdienste – das ist die Antwort der Regierung auf den Überwachungsskandal!

Letzte Woche hat die Bundesregierung ihre „digitale Agenda“ vorgestellt. Sie soll das Vertrauen der Bürger/innen in digitale Kommunikation stärken. Doch wenn man genau liest, dann verspricht die Agenda neue Abhörwerkzeuge für den Inlandsgeheimdienst. Und erwähnt die massenhafte Ausspähung der Geheimdienste weltweit und die Enthüllungen Edward Snowdens mit keinem Wort. Merkel und de Maiziere machen keinen Finger krumm, um uns vor der massiven Überwachung unserer Privatssphäre zu schützen. Nein, sie päppeln ihre Geheimdienste mit Millionen an Steuergeldern und wir Bürger/innen bezahlen für unsere eigene Überwachung. Das ist absurd!

Dabei sind die deutschen Geheimdienste keinen Deut besser als ihre Pendants aus anderen Ländern. Wenn der BND türkische Politiker und US-Außenminister Kerry abhört, kann sich Frau Merkel dann noch beschweren, dass die NSA an ihrem Handy lauscht? „Aber davon haben wir ja nichts gewusst!“, meldet sich das Parlamentarische Kontrollgremium. Ja, von was für einer Kontrolle sprechen wir denn hier? Blinde Wächter ohne Schwert, dass sind die deutschen Geheimdienstkontrolleure. Sie befassen sich nur mit dem, was die Geheimdienste ihnen über ihre Arbeit berichten – und das ist offensichtlich sehr lückenhaft. Sie tagen im Geheimen und dürfen der Öffentlichkeits nichts über ihre Arbeit sagen. Eine transparente Kontrolle sieht anders aus!

Nicht nur der BND dreht frei, auch der Inlandsgeheimdienst mit dem so unpassenden Namen „Verfassungsschutz“. Der Thüringer Untersuchungsausschuss zu den NSU-Morden spricht in seinem Abschlussbericht das aus, vor dem niemand mehr die Augen verschließen kann: über den Inlandsgeheimdienst besteht der „Verdacht gezielter Sabotage oder des bewussten Hintertreibens des Auffindens der Flüchtigen“. Das heißt: Der Geheimdienst hat die mordenden Nazis gedeckt und gewarnt, er hielt seine schützende Hand über sie. Dieser Geheimdienst ist eine Gefahr für die Verfassung. Er ist nicht kontrollierbar und nicht reformierbar. Da hilft nur eins: Verfassungsschutz abschaffen!

Die Humanistische Union fordert als älteste deutsche Bürgerrechtsorganisation schon seit langem die Auflösung des Inlandsgeheimdienstes. Vor Kurzem haben wir unsere Kritik in einem Memorandum zusammen gefasst. Und wir haben die Kampagne „ausgeschnüffelt“ ins Leben gerufen, die mit Aktionen zum Mitmachen unsere Forderung in die Öffentlichkeit trägt und von Überwachung Betroffenen eine Stimme verleiht. Ihr könnt unser Anliegen unterstützen, indem ihr unseren Aufruf unterzeichnet und euch auf unserer Seite informiert: www.ausgeschnueffelt.de.

Und natürlich sind wir nicht die einzigen. Im Post-Snowden-Zeitalter wächst im ganzen Land die Empörung gegen Überwachung. Große Demos gab es zum Beispiel in Bad Aibling, wo die Abhörstation von BND und NSA steht, in Köln und bundesweit formiert sich das Bündnis #StopWatchingUs. Tausende forderten „ein Bett für Snowden“. Menschen, die sich noch nie mit Datenschutz und Open Source beschäftigt haben, gehen plötzlich zu Cryptoparties und lassen sich zeigen, wie man E-Mails verschlüsselt und welche alternativen Programme man nutzen kann. Und morgen trifft sich die Bewegung erstmals zu einem Forum gegen Überwachung hier in Berlin, um neue Pläne für den Widerstand gegen die Massenüberwachung zu schmieden. Ich hoffe, ihr seid alle dabei!

Mir macht das Hoffnung. Hoffnung, dass wir unsere Grundrechte verteidigen können gegen den Überwachungswahn. Dass wir die Demokratie hochhalten können gegenüber den Geheimdiensten, die in jeder Demokratie einen Schandfleck darstellen. Dass wir in Freiheit leben können, denn wer überwacht wird, ist niemals frei. Wir sind heute hier und wir sind viele. Und wenn der nächste Skandal kommt, wenn die Regierung uns mit Vorratsdatenspeicherung kommt, mit neuen Datenpools von Polizei und Geheimdiensten und mit neuen Millionen für die Geheimdienste, dann können sie sich sicher sein, dass wir wieder auf der Straße sein werden. Unser Protest ist groß und vielfältig. Und wir sprechen mit einer Stimme, wenn wir sagen: Wir lassen uns nicht länger bespitzeln. Stop watching us! Wir wollen Freiheit, ihr sät Angst. Freiheit – statt Angst!

Die elektronische Gesundheitskarte dient der Kontrolle der Bürger

Rede Wieland Dietrich (Vorsitzender der Freien Ärzteschaft e.V.)

Verehrte Bürgerinnen und Bürger, Liebe Freundinnen und Freunde,
als Staatsbürger dieses Landes und als Arzt freue ich mich, dass wir heute wieder in so großer Zahl hier in Berlin zusammengekommen sind, um für unsere Freiheitsrechte zu streiten. Worum geht es uns? Wir wollen freie Bürger eines demokratischen Landes sein. Wir wollen über unsere Lebensführung selbst entscheiden. Wir wollen über die Verwendung unserer Daten frei entscheiden und darüber, wer davon Kenntnis erlangt! Das gilt besonders auch für unsere Gesundheitsdaten, denn die sind das schützenswerte, höchst persönliche Eigentum jedes Einzelnen von uns!

Wer hat welche Krankheiten und gesundheitlichen Probleme? Wer nimmt welche Medikamente? Wer eignet sich als künftiger Konsument, als Zielgruppe für die Interessen von Pharmaindustrie, Healthcare­ und Gesundheitswirtschaft? Wer stellt ein schlechtes Risiko dar, dem man besser keine Lebens-­ oder Berufsunfähigkeitsversicherung anbietet, keine Krankenversicherung, dem man vielleicht besser keinen Kredit gibt – oder vielleicht erst gar keinen Job?

Viele von uns haben sich bereits daran gewöhnt, dass wir in weiten Bereichen gläserne Bürger sind. Im Zeitalter von Internet und globaler Datenspeicherung laufen wir Gefahr, durch Dritte manipuliert, erpresst oder ausgegrenzt zu werden. Dieses Risiko ist bei Offenlegung unserer Gesundheitsdaten besonders groß.

Die elektronische Gesundheitskarte ist als Zugangsschlüssel für unsere persönlichen Krankheitsdaten geplant. Diese Krankheitsdaten sollen in einem zentralen Netz gespeichert werden – ein riesiger Datenberg würde produziert. Damit droht auch eine neue Dimension zentralisierter Überwachung, aber auch der Zweckentfremdung unserer Daten. Fast monatlich hören wir von Fällen von Datenklau von Gesundheitsdaten. Erst am 18. August, vor 2 Wochen, wurden 4,5 Mio. Patientendaten des US­Krankenhausbetreibers Community Health Systems von Hackern gestohlen. Das ist nur das jüngste Beispiel einer langen Kette von Gesundheitsdatendiebstählen in den letzten Jahren. Andererseits erlauben es etwa amerikanische Gesetze, Gesundheitsdaten zu verkaufen, und auch in Deutschland ist das nach §300 des Sozialgesetzbuches V erlaubt, wenn es nur anonymisiert erfolgt. Doch es ist höchst umstritten, dass die Anonymisierung der verkauften Daten wirklich sicher ist, so dass keine Rückschlüsse auf einzelne Bürger möglich sind. Ich finde, es ist ein Skandal, dass nach deutschem Recht überhaupt Daten, die dem Sozialdatenschutz unterliegen wie Gesundheitsdaten, von Rechenzentren verkauft werden dürfen!

Seit über 10 Jahren laufen bestenfalls unbedarfte, oft aber Lobby­-beeinflußte Politiker dem Phantom elektronische Gesundheitskarte hinterher. Diese Karte dient vor allem der Kontrolle der Bürger durch die Krankenkassen und den Interessen der IT­- und Kommunikationsindustrie. Seit 10 Jahren will die Politik das weltweit größte IT-­Netz schaffen und mithilfe dieser Karte alle Medizindaten zentral speichern und für 2 Millionen Beschäftigte im Gesundheitswesen zugänglich machen.

Doch wir Ärzte haben uns über Jahre wiederholt entschieden gegen dieses Projekt ausgesprochen – wir wollen die Geheimnisse unserer Patienten schützen, und damit die Grundlage für das uns entgegen gebrachte Vertrauen erhalten. Dass es der Politik und interessierten Kreisen beim eCard-­Projekt nicht wirklich um die Interessen der Bürger und Bürgerinnen unseres Landes geht, sehen wir an folgendem: Freiwillige Datenspeicherprojekte für Medizindaten in Deutschland etwa von Krankenkassen oder IT-Firmen wurden eingestellt, weil kaum Interesse bestand. Ähnliche Erfahrungen wurden im Ausland gemacht, so in Frankreich. Das dortige „Dossier medical“ findet kaum Verwendung.

Und: Jahrelang wurde von Freiwilligkeit beim eCard­Projekt gesprochen. Als aber Widerstand kam und freiwillig nichts voran ging, begann die Politik, Druck auszuüben. Krankenkassen sollten weniger Geld bekommen, wenn sie nicht genügend Karten ausstellen. Die Patienten sollen ab dem Anfang nächsten Jahres nicht mehr auf Kasse behandelt werden können, wenn sie keine eCard vorlegen. Und Ärzte erhalten Geld, damit sie bei Tests endlich mitmachen, oder künftig, damit sie das System doch irgendwie nutzen. Wir sehen: Die Freiwilligkeit ist nur vorschoben, tatsächlich wird sie mit Zwang eingeführt. Es wird offenbar, dass bei der eCard der Druck der Gesundheitsindustrie auf die Politik enorm ist!

Aber: Dessen ungeachtet haben Hunderttausende von Versicherten bis heute kein Foto bei der Kasse eingereicht, weil sie sich weigern, sich eine solche Schnüffelkarte ausstellen zu lassen. Deutschlandweit gibt es Klagen von Versicherten gegen das Projekt.

Seit 2002 wurde bei der eCard viel versprochen: Die Karte soll vor Leistungsmissbrauch schützen, das hätte man aber für ein paar Cent auch mit einem geprüften Foto auf der alten Karte erreichen können. Sie bringt angeblich per Knopfdruck Rettung, wenn jemand auf der Straße umfällt. Und sie bringt angeblich Spitzenmedizin für alle, bloß weil irgendwo in einem Großcomputer unsere Krankheitsdaten liegen.

Von alldem ist heute, 12 Jahre später, nichts zu sehen. Mehr als eine kleine Karte mit Foto ist bislang nicht herausgekommen – und dass die Fotos auf der Karte gar nicht identitätsgeprüft sind, so wie es bei Personendaten sein müsste, wird von Politik, Kassen und Lobbyisten verschwiegen. Währenddessen gehen die Kosten für diese untaugliche Schnüffelkarte in die Milliarden. Bei der Performance kommt das Flughafenprojekt Berlin­Brandenburg im Vergleich fast wir ein Vorzeigeprojekt daher.

Die nur vorgeschobene Freiwilligkeit bei der Umsetzung des Projektes habe ich eben angesprochen. Vor wenigen Monaten habe ich den neuen Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe in seinem Wahlkreis im Rheinland gefragt, wie es denn um die Freiwilligkeit der Teilnahme der Bürgers am e­Card­-Projekt stehe. Liebe Bürgerinnen und Bürger, es war erschreckend: Bundesgesundheitsminister Gröhe hat die Freiwilligkeit der Preisgabe von Medizindaten in dieses Projekt, wenn es denn irgendwann online geschaltet sein sollte, in keiner Weise vertreten! Und das vor dem Hintergrund, dass das Recht des selbstbestimmten Umgangs der Bürger mit ihren Daten quasi ein europäisches Grundrecht ist. Das hat der Europäische Gerichtshof mit seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung von April diesen Jahres noch einmal bestätigt. Ich finde es erschreckend, liebe Freundinnen und Freunde, wenn ein Bundesgesundheitsminister das Recht des Bürgers auf selbstbestimmten Umgang mit seinen persönlichsten Gesundheitsdaten zur Disposition stellt!

Die Gier nach unseren Gesundheitsdaten ist auch auf globaler Ebene grenzenlos. Auch Google giert nach diesen Daten. Dort sammelt man Daten von Hausbewohnern und deren Verhalten. Dort konzipiert man einen Verwaltungsdienst für Gesundheitsdaten namens „Google Fit“. Über Fitnessarmbänder werden verschiedene Körperwerte gemessen, von Apps wie der neuen Health App gespeichert und dann von Google oder Apple ausgewertet. Der Handel mit Risikoprofilen ist ein möglicher weiterer Schritt, meinen Kritiker. Bereits jetzt ist der Handel mit Krankheits­- und Rezeptdaten ein Milliardengeschäft! Wir sehen: Nicht nur beim eCard­Projekt interessiert man sich für unsere Medizindaten – es gibt auch andere, die da unterwegs sind. Das Problem sind gebündelte und gespeicherte Onlinedaten vonMillionen von Menschen, die entgegen den Interessen der Bürger verwendet werden können.

Natürlich braucht die Medizin moderne Informationstechnologie. Was wir aber nicht brauchen, sind Gesundheitsdatensammlungen im Interesse Dritter, und mit Hilfe eines staatlichen Großprojektes erzwungene Medizindatenberge. Vor allem ist es eine Schande,wenn unser Staat dabei Freiwilligkeit ignoriert! Wir brauchen sichere Leitungen und Punkt­zu­Punkt­Verbindungen – oder eben dezentrale Medizindaten in der Hand des einzelnen Bürgers. Informationelle Selbstbestimmung und zentrale Medizindatenspeicherung schließen sich gegenseitig aus. Eines ist inzwischen klar sein: Zentral gespeicherte Datenberge können nicht sicher geschützt werden. Und deshalb sind wir alle zur Vorsicht aufgerufen, wenn es um die Preisgabe unserer intimsten Daten geht – und erst recht zum Widerstand, wenn dabei keine Freiwilligkeit mehr gegeben ist, sondern Zwang ausgeübt wird. Vielen Dank!

Es gilt das gesprochene Wort.

Auch Deutschland braucht einen Edward Snowden (Kurzfassung)

Rede Annegret Falter (Whistleblower-Netzwerk)

Annegret Falter

Annegret Falter

Provokativ oder eher rhetorisch die Frage von Annegret Falter vom Whisteleblower Netzwerk zu Beginn ihrer Rede: „Wo bleiben die deutschen Whistleblower? Wir starren seit einem Jahr auf die NSA und GCHQ. Gibt es nichts, was die deutschen Geheimdienste zu verbergen hätten?“ Wenn doch, so sei es nur eine Frage der Zeit, „bis auch hierzulande ein Whistleblower auspackt.“ Denn Möglichkeiten gäbe es genug. Und auch der „Schutz journalistischer Quellen“ funktioniere in Deutschland „immer noch vergleichsweise gut“. Auch biete „unser Whistleblower-Netzwerk geschützte Kontaktmöglichkeiten. Warum also hat noch kein deutscher Whistleblower den BND verpfiffen?“

Aber da dies keine Aufforderung zu einer Straftat sein solle, fordere das deutsche Whistleblower Netzwerk: „GesetzesVerstöße dürfen nicht dem Geheimschutz unterliegen. Auch dann nicht, wenn es sich bei Rechtsbrüchen möglicherweise um Staatsgeheimnisse handelt. Es darf keine illegalen Staatsgeheimnisse geben – ganz gleich, um was es geht.“

Aber es stelle sich die Frage, was ein Mitarbeiter eines Geheimdienstes tun könne, „ohne das Risiko einzugehen, arbeitsrechtlich, disziplinarrechtlich oder gar strafrechtlich belangt zu werden?“

Daher listet Annegret Falter ganz konkrete Forderungen an die Politik auf: „Abschaffung der gesetzlichen Regelung, dass Mitarbeiter der Geheimdienste ihre Vorgesetzten beteiligen müssen, wenn sie das Parlamentarische Kontrollgremium über Missstände informieren. Abschaffung der absoluten Verschwiegenheitspflicht für die Parlamentarier des PKGr. Sie müssen zur öffentlichen Stellungnahme und Kritik an der Regierung berechtigt sein, auch als Minderheiten im Ausschuss.“

Das, so Falter, sei „ein richtiger Schritt in Richtung Transparenz und Kontrolle als Normalität. Damit verantwortungsbewusste, bei den Diensten angestellte Bürger und Bürgerinnen keinen Opfermut brauchen, um Unrecht anzuzeigen. Das wäre ein Stückweit FREIHEIT statt Angst. Ihre Rede beendet sie mit einen viel umjubelten Apell: „Trotzdem – oder gerade deswegen –hoffen wir auf einen deutschen Snowden!“

Die lange Version dieser Rede findet sich hier.

Geheimdienste müssen vollständig abgeschafft werden (Kurzfassung)

Rede Dr. Rolf Gössner (Internationale Liga für Menschenrechte)

Dr. Rolf Gössner

Dr. Rolf Gössner

Jahrelang wurde der Bremer Rechtsanwalt Rolf Gössner vom Verfassungsschutz bespitzelt, jahrelang wehrte es sich dagegen und erhielt endlich Recht. Dennoch ist auch heute für den Vertreter der Internationalen Liga für Menschenrechte die Welt noch lange nicht in Ordnung: „während wir hier zu Tausenden offen gegen Überwachung und für Freiheit statt Angst demonstrieren, gehen die Geheimdienste im Rahmen eines globalen Informationskriegs ungebremst ihren dunklen Geschäften nach.“ Die digitale Durchleuchtung ganzer Gesellschaften im Namen von Sicherheit und Terrorbekämpfung stelle Millionen von Menschen unter Generalverdacht. Für ihn sei es endlich an der Zeit, „die gesellschaftliche Duldungsstarre, die wir nach den Enthüllungen allenthalben spüren, zu durchbrechen.“ Wichtig sei es gewesen, nach den Snowden-Enthüllungen Strafanzeige beim Generalbundesanwalt gegen die Geheimdienst-Verantwortlichen zu erstatten. „Tausende unterstützen inzwisachen unsere Strafanzeige.“

Edward Snowden, andere Whistleblower und ihre Unterstützer hätten sensationelle Pionierarbeit geleistet und enormen Mut bewiesen. „Er hat mit seiner Gewissensentscheidungseine persönliche Freiheit riskiert, um die unsere zu schützen. Was uns fehlt und was wir dringend brauchen: einen Snowden im BND und im Verfassungsschutz.“

Die lange Version dieser Rede findet sich hier.