Pressemitteilung: „Leak more documents!“ „Wo bleibt der deutsche Snowden?“ Auftaktkundgebung der Demonstration „Freiheit statt Angst“

[English translation below]

Großdemonstration vor dem Brandenburger Tor fordert Grundrechtsschutz statt Massenüberwachung

Demonstrierende während der Auftaktkundgebung

Demonstrierende während der Auftaktkundgebung

Die Auftaktkundgebung der Demonstration „Freiheit statt Angst – Aufstehen statt Aussitzen“ startete am heutigen Nachmittag vor dem Brandenburger Tor in Berlin. „Wir freuen uns, dass gerade 6.500 Menschen vom Brandenburger Tor losgezogen sind. Damit konnten wir zeigen, dass wir auch jenseits eines Bundestagswahlkampfs massenhaft mobilisieren können“, so padeluun von Digitalcourage e.V., Mitorganisator der Demonstration.

„Die generelle, anlasslose Speicherung von Telekommunikationsdaten ist weder mit dem Grundrecht auf Privatsphäre noch mit dem Grundrecht auf Datenschutz vereinbar“, betonte der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar und forderte ein komplettes Verbot der Vorratsdatenspeicherung auf EU-Ebene. Peter Schaar sagte weiter: „Es stellt sich die Frage, ob die heute eingeschulte Generation in einer Welt aufwachen wird, die durch totale Überwachung gekennzeichnet ist.“

Annegret Falter vom Whistleblower-Netzwerk fragte: „Wo bleiben die deutschen Whistleblower?“, und stellte klar: „Entsprechende Gesetzesänderungen sind überfällig! Dann wären Mitarbeiter geschützt, die zu illegalen Machenschaften ihrer Behörde nicht länger schweigen wollen“, und weiter: „Aufrechte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei den Behörden, die Unrecht und gefährliche Entwicklungen öffentlich machen, sollen nicht um ihr Wohlergehen fürchten müssen.“

Rolf Gössner, Sprecher für die Internationale Liga für Menschenrechte, beklagte, dass der Generalbundesanwalt auf Ermittlungen wegen Massenüberwachung durch Geheimdienste verzichtet – aus vorgeblichem Mangel an konkreten Hinweisen. „Das ist Realitätsverleugnung hart an der Grenze zur Strafvereitelung im Amt!“ Jubel bekam Gössner für seinen Aufruf zu mehr Whistleblowing und Zivilcourage: „Was wir brauchen: Einen Snowden im BND und im Verfassungsschutz!“ Gössner forderte schließlich die komplette Auflösung der Geheimdienste – eine Forderung, die auf lautstarke Zustimmung der Demonstrierenden stieß.

Jacob Appelbaum

Jacob Appelbaum

Jacob Appelbaum, amerikanischer Datenschutz-Aktivist und Journalist, verstärkte die Forderungen seiner Vorredenden, indem er verlangte: „Alle Staaten müssen die grundlegenden Menschenrechte respektieren!“ und „Leak more documents!“

„Massenüberwachung – das ist Gift für eine parlamentarische Demokratie und Honig für das Totalitäre“, stellte anschließend Christoph Bautz von Campact klar und richtete sich direkt an die Bundeskanzlerin: „Frau Merkel, bei diesem Skandal geht es nicht um Ihr Handy, bei diesem Skandal geht es auch nicht um einen Spion, bei diesem Skandal geht es darum, dass unser aller Handys überwacht, wir alle ausspioniert werden. Ihr Drumrumreden und Herunterspielen, Ihr Aussitzen und sich vor Konsequenzen drücken, das haben wir gewaltig satt!“ Hierfür gab es große Zustimmung – die sich bestens in eine praktisch-parodistische „Rückensportübung für die Kanzlerin“ umsetzen ließ: für mehr Rückgrat in der Politik turnten die Demonstrierenden zusammen mit einer Kanzlerin-Darstellerin.

Zur Demonstration „Freiheit statt Angst – Aufstehen statt Aussitzen“ ruft ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis von 81 Organisationen auf, unter anderem der Arbeitskreis gegen Vorratsdatenspeicherung, Amnesty International, die Internationale Liga für Menschenrechte, Digitalcourage, der Verbraucherzentrale Bundesverband, die Neue Richtervereinigung, die Freie Ärzteschaft, Reporter ohne Grenzen, Campact und der Chaos Computer Club.

Auf der Abschlussveranstaltung vor dem Brandenburger Tor sprechen ab 17:30 Uhr Wieland Dietrich von der Freien Ärzteschaft, Astrid Goltz von der Humanistischen Union, Sebastian Schweda von Amnesty International, Theodora Becker vom Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen sowie Matthias Spielkamp von Reporter ohne Grenzen.

Tel. Pressezelt:
0175 984 9933
0176 623 61640

presse@vorratsdatenspeicherung.de
presse@digitalcourage.de

Twitter: @akvorrat, Hashtag: #fsa14

Honorarfreie Bilder der Demonstration gibt es unter:
https://www.flickr.com/photos/digitalcourage/sets/72157646512129778

Hier eintragen in Presseverteiler zur Demo: http://akvorrat.de/s/demopresse
Demostrecke: http://freiheitstattangst.de/route-ablauf/
Demoaufruf: http://freiheitstattangst.de/aufruf/

Redeliste:
(Redetexte gibt es auf www.freiheitstattangst.de oder vorab vom Presse-Team)
Auftaktkundgebung
– Peter Schaar (Bundesdatenschutzbeauftragter a.D.)
https://freiheitstattangst.de/2014/08/die-vorratsdatenspeicherung-darf-nicht-wieder-eingefuehrt-werden/
– Annegret Falter (Whistleblower-Netzwerk)
https://freiheitstattangst.de/2014/08/auch-deutschland-braucht-einen-edward-snowden/
– Rolf Gössner (Internationale Liga für Menschenrechte)
https://freiheitstattangst.de/2014/08/geheimdienste-muessen-vollstaendig-abgeschafft-werden/
– Jacob Appelbaum (US-Datenschutz-Aktivist und Henri-Nannen-Preisträger )
– Christoph Bautz (Campact)
https://freiheitstattangst.de/2014/08/massenueberwachung-ist-gift-fuer-die-demokratie/

Abschlusskundgebung
– Wieland Dietrich (Freie Ärzteschaft)
– Astrid Goltz (Humanistische Union)
– Sebastian Schweda (Amnesty International)
– Theodora Becker (Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen)
– Matthias Spielkamp (Reporter ohne Grenzen)

Moderation: padeluun (Digitalcourage)

 

[English translation]

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Berlin, 30 Aug 2014, 16:30 GMT+0200
Press Release #3
„Freiheit statt Angst“ (Freedom Not Fear)

+ „Leak more documents!“ „We need a German Edward Snowden!“ Kick-off manifestation of the „Freiheit statt Angst“ rally
+ Mass demonstration at Brandenburg Gate in Berlin demands protection of civil liberties instead of mass surveillance

The kick-off manifestation of the „Freiheit statt Angst“ rally took place this afternoon at the Brandenburg Gate in Berlin. „We are glad that 6,500 people just started their march from the Brandenburg Gate. We have showed that we can mobilise a mass of people even when we’re not near the end of a General Elections campaign [as last year],“ commented padeluun of Digitalcourage, one of the demonstration’s organisers.

„The general, suspicionless retention of telecommunications data is neither compatible with the basic right to privacy nor with that to protection of personal data“, said former German Federal Data Protection Commissioner Peter Schaar. He called for a complete ban on data retention at the European Union level. Schaar continued: „The question is if the generation starting school today is going to wake up in a world shaped by total surveillance.“

Annegret Falter of the Whistleblower-Netzwerk (Whistleblower Network) asked: „Why are there no German Whistleblowers?“, and stated: „It is high time to change the law to protect employees who don’t want to stay silent about their agency’s illegal actions.“, She added: „Upright government agency employees who publicise unjust and dangerous developments should not have to fear for their well-being.“

Rolf Gössner, spokesperson for the International League for Human Rights, complained that the Federal Prosecutor has refrained from investigating the secret services‘ mass surveillance – ostensibly for lack of concrete evidence. „That is a denial of reality bordering on obstruction of justice!“ Gössner was cheered by the audience for his call for more whistleblowing and moral courage: „What we need: A Snowden in the BND (Germany’s foreign intelligence agency) and the Verfassungsschutz (a domestic intelligence agency tasked with ‚protection of the constitution‘)!“ Finally, Gössner demanded the complete dismantling of all intelligence agencies – a demand that got him vociferous support from the demonstrators.

American privacy activist and journalist Jacob Appelbaum supported his fellow speakers‘ demands by demanding: „All states must respect basic human rights!“ and „Leak more documents!“

„Mass surveillance – that is poison for a parliamentarian democracy and honey for the totalitarian“, Christoph Bautz of the campaign network Campact declared and addressed the German chancellor directly: „Mrs. Merkel, this scandal is not about your mobile, this scandal is not about a single spy. This is a scandal because all our mobiles are monitored, we are all under surveillance. Your evasive talking, your downplaying, your inaction and avoiding consequences – we are more than sick of all that!“ This statement was loudly supported and turned into a practical/ironic „backbone training for the chancellor“: to support more backbone in politics, the protestors joined gymnastic exercises performed on stage by a chancellor impersonator.

The call to this year’s rally „Freedom Not Fear – Stand Up, Don’t Wait Out“ was carried by a broad civil alliance spanning 81 organisations, among them the German Working Group against Data Retention (Arbeitskreis gegen Vorratsdatenspeicherung, AK Vorrat), Amnesty International, the International League for Human Rights, Digitalcourage, the Federation of German Consumer Associations (Verbraucherzentrale Bundesverband, vzbv), judges association Neue Richtervereinigung, medical practitioners association Freie Ärzteschaft, Reporters without Borders (Reporter ohne Grenzen), campaigning network Campact and the Chaos Computer Club.

The demonstration will conclude at the Brandenburg Gate at 17:30, with speeches from Wieland Dietrich of Freie Ärzteschaft, Astrid Goltz of the German Civil Liberties Union (Humanistische Union), Sebastian Schweda for Amnesty International, Theodora Becker for the Professional Association Erotic and Sexual Services as well as Matthias Spielkamp for Reporters without Borders.