Massenüberwachung ist Gift für die Demokratie

Rede Christoph Bautz (Campact)

Schon in seinem ersten Interview zur Veröffentlichung des NSA-Überwachungsskandals sagte Edward Snowden: „Meine größte Furcht ist, dass es nichts verändert“. Heute, ein Jahr später, müssen wir konsterniert feststellen. Genau das ist passiert: NSA, BND, GCHQ – sie machen einfach weiter, schöpfen flächendeckend und verdachtsunabhängig unser aller Daten ab und sind eng verflochten mit den Datenkraken von Google, Facebook und Amazon. Und der Einzige, dem Gefängnis droht, ist Snowden selbst.

Das macht betroffen und ohnmächtig, aber auch wütend und empört: Was muss eigentlich noch bekannt werden, damit endlich Schluss ist mit der Ausspioniererei? Massenüberwachung – das ist Gift für eine parlamentarische Demokratie und Honig für das Totalitäre. Wir sind hier weil wir uns wehren, dass die Geheimdienste auf unseren Grundrechte herumtrampeln und unsere Privatsphäre durchlöchern. Wir sind hier um unsere Würde, unsere Freiheit und unsere Demokratie zu verteidigen!

Angesichts der NSA-Skandals beweist diese Bundesregierung und allen voran Angela Merkel drüben im Kanzleramt gehörig Sitzfleisch. Nur zweimal wurde sie deutlich. Ein „ernsthafter Vorgang“ sei es und sie sei „fassungslos“ – dass Ihr Handy abgehört wird. Es sei „Vertrauen gebrochen“ – wenn ein Spion sich in Regierungsstellen eingeschmuggelt habe.

Liebe Frau Merkel, bei diesem Skandal geht es nicht um Ihr Handy, bei diesem Skandal geht es auch nicht um einen Spion, bei diesem Skandal geht es darum, dass unser aller Handys überwacht, wir alle ausspioniert werden. Ihr Drumrumreden und Herunterspielen, Ihr Aussitzen und sich vor Konsequenzen drücken, das haben wir gewaltig satt!

Warum greifen Sie nicht zum Hörer und lesen Obama die Leviten? Warum lassen Sie nicht die Abhöranlagen in Bad Aibling, in Wiesbaden oder den Dagger-Komplex in Griesheim schließen? Warum sorgen Sie nicht dafür, dass der BND nicht länger als Helfershelfer der NSA fungiert? Und warum werden die hiesigen Geheimdienste nicht endlich scharf kontrolliert?

Wir fordern von der Regierung Merkel: Klärt endlich auf und legt die Schnüffler an die Kette!

Das wir von den Machenschaften der Schlapphüte wissen, das haben wir alleine einem zu verdanken: Edward Snowden. Das was Snowden als Whistleblower getan hat, war ein Akt zivilen Ungehorsams. Es mag nicht ganz legal gewesen sein, aber es war bitter notwendig und mehr als legitim!

Wir sind heute hier um ihm zuzurufen: „Not our goverment, but the people of this country say: Welcome to Germany, Edward Snowden!“

Wie sagte Sigmar Gabriel vor einem Jahr noch so schön: „Wenn Snowden ein verlässlicher Zeuge ist, muss man überlegen, ob er in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden sollte. Wir brauchen eigentlich nur unser ganz normales Rechtssystem wirken zu lassen. Das erwarte ich auch von der Bundesregierung.“ Aha, Herr Vizekanzler, dann lassen Sie unser normales Rechtssystemeinfach mal wirken und gewähren Sie Snowden endlich Asyl!

Auf die Straße treibt uns etwas drittes: TTIP, das Freihandels-
Abkommen mit den USA. Wenn TTIP kommt, dann können wir mit unseren Datenschutzstandards einpacken.

Mit TTIP kommt noch mehr Freihandel mit Daten. Wenn Regierungen trotzdem strengere Datenschutzstandards verabschieden, dann können sie von US-Konzernen vor private Schiedsgerichte gezerrt werden. Wer da entscheidet und verdient? Private Wirtschaftskanzleien, die Richter, Kläger und Verteidiger stellen und bei denen Berufung ausgeschlossen ist. Diese Privatisierung des Rechtssystems – das ist ein Angriff auf unseren Rechtsstaat und unsere Demokratie. Und genau das erntet unser aller Widerstand!

Die Antwort auf den NSA-Skandal – das darf nicht ein Abkommen sein, das den Datenschutz und unseren Rechtsstaat weiter unterhöhlt. Die Antwort auf den NSA-Skandal – das ist ein sofortiger Stopp der TTIP-Verhandlungen! Vor allem von Wirtschaftsminister Gabriel erwarten wir, dass er das endlich durchsetzt. Und als erstes in diesem Herbst das CETA-Abkommen mit Kanada, das Pendant zu TTIP, über die Klinge springen lässt. Herr Gabriel, Sie haben genug herum laviert, handeln Sie!

Eine breite Bewegung gegen TTIP und CETA ist entstanden – und ja, beide Abkommen wanken. Diese Bürgerbewegung, die gibt Kraft und Hoffnung und macht Mut.

Denn ja, es ist viel zu leise in diesem Land. Ich frage mich immer wieder: Wo bleibt angesichts dieses gigantischen Überwachungsskandals der Widerstand, wo das wütende Aufbegehren, der öffentliche Aufschrei?

Heute ist das anders, heute sind wir hier, damit endlich Schluss ist mit dieser Ruhe. Wir sind hier um laut zu werden. Ich lade Euch ein, jetzt sehr laut zu werden. Empört Euch! Seid wütend! Bietet Ihnen die Stirn! Lasst uns aufstehen, um unsere Freiheit und unsere Grundrechte gemeinsam zu verteidigen – gegen die Schlapphüte von Pullach, Berlin und Fort Meade, gegen die Datenkraken von Amazon, Facebook und Google und gegen eine Politik, die alles aussitzt. Jetzt nehmen wir den Kampf gegen den Überwachungswahn selbst in die Hand!

Es kann losgehen – Frau Merkel, Herr Gabriel, wir kommen!